Könnt Ihr Euch das vorstellen? Mitte des 19. Jahrhunderts waren in Deutschland über 2.000 Apfelsorten bekannt, in Europa angeblich an die 20.000. Und sie waren nicht nur bekannt als einzelne Exoten, die man suchen musste, sondern in jedem Garten, auf jedem Bauernmarkt war einen bunte Apfelvielfalt zu finden.
Die Geschmäcker der Äpfel waren dabei so vielfältig wie ihre Namen, die ihre eigenen Geschichten erzählen: Der „Salzburger Rosenstreifling“ aus dem Salzburger Land, unterscheidet sich vom königlichen„Kronprinz Rudolph“, vom Roten Herbstkalvill aus dem fürstlichen Lustgarten in Stuttgart oder der roten oder gelben „Schafsnase“ von sonderlicher Form im Geschmack, aber auch bei Haltbarkeit, Farbe, Form oder auch Verwendungsmöglichkeit als Tafel, Lager oder Einkoch- oder Mostapfel.
Wie arm sind wir geworden!
Heute stammen die meisten der verkauften Apfelsorten von nur mehr vier Arten ab. Warum das so ist? Weil „moderne“ Äpfel makellos sein müssen, weil sie einheitlich große Früchte bringen müssen, weder Winzling noch Riese haben eine Chance. Weil sie leicht zu ernten und immer gleich schmecken müssen, weil sie kein Fleckchen, keine Druckstelle, keine Delle aufweisen dürfen. Das Deutschen liebstes Obst ist zum Industrieprodukt verkommen, zum Hochglanz-Bilderbuch-Einheits-Äpfel. Wie traurig.
Diese Konformität fordert einen hohen Preis. Nicht den an der Ladentheke. Der Preis, dass aus einem köstlichen Obst, ein Industrieprodukt geworden ist, im Mittelmaß versunken. Der Preis, dass in diesen Äpfeln oft mehr Spritzgifte als Vitamine stecken. Der Preis, dass vielen Allergiker diese Äpfel nicht mehr vertragen, weil die Phenole weg gezüchtet wurden. Der Preis, dass durch die vielen chemischen Mittel die Insekten sterben und in China Apfelbäumchen schon per Hand bestäubt werden. Wir finden, das ist ein zu hoher Preis.
Schatzkästlein Streuobstwiese
Aber es gibt sie noch die Schatzkästchen unter den Apfelgärten, in denen die Apfelkostbar- und -Köstlichkeiten wachsen und gedeihen: Auf einige Streuobstwiesen wachsen sie die Hadelner Sommerprinzen und die Venus Pippin – unbehelligt von Pflanzenschutzmitteln oder Düngergaben und im Wortsinne umschwärmt von Tausenden Insekten nicht nur während der Blütezeit.
Im Angebot sind immer mittlere, große und kleine Exemplare, manchmal mit Schorffleck, manchmal etwas krumm gewachsen, gegen den Frühjahr zu schrumpliger werdend, etwas süsser als zur Ernte aber immer köstlich und unvergleichlich im Geschmack. Denn gepflückt wird die gesamte Ernte.
Die eigenen Regionalkollektiv-Streuobstwiese wird noch ein paar Jährchen dauern, bis wir das erste eigene Obst ernten können. Aber wir haben das Glück, eines dieser kleinen Streuobst-Paradiese in der Nähe zu haben: Mit dem Bio-Streuobsthof Stöckl, der über Generationen hinweg seine zig Jahre alten Streuobstwiesen hegt und pflegt – ganz ohne Spritzmittel oder Chemie.Über 50 Sorten finden sich auf den Stöckl-Wiesen. Nutzen wir die Chance und bewahren wir das Schmuckstück für nächste Generationen und genießen wir gemeinsam seine köstlichen Äpfel und Birnen.
Übrigens: Im Frühjahr plant das Regionalkollektiv zusammen mit dem ADFC einen Radlausflug zur Apfelblüte. Wir sagen rechtzeitig Bescheid.